| Kirchenjahr

Ist verziehen

Fastenaktion „Sieben Wochen ohne Enge. Großes Herz!“

EMH/Ute Dilg

Der Unfall kam aus heiterem Himmel. Wir waren gerade erst auf Kreta gelandet und mit unserem Mietauto unterwegs zum Hotel. Da kam uns auf unserer Spur ein Auto entgegengeschleudert. Es gab keine Möglichkeit auszuweichen. Mein Mann und ich wurden schwer verletzt. Ein Wirbelbruch, Rippenbrüche, mein Mann hat sich zudem noch das Bein gebrochen. Ich bin gleich notoperiert worden.

Es war der reinste Alptraum. Zwölf Tage waren wir auf Kreta in der Klinik, bis man uns ausfliegen konnte. Zum Glück sind zwei unserer Kinder gekommen. Das hat uns unglaublich geholfen. Denn wir hatten ja erst mal keine Pflege. In Griechenland kümmern sich darum die Angehörigen. Die Pflegekräfte machen nur, was medizinisch verordnet ist. Also Medikamente verabreichen, Infusionen oder Verbände. Die ersten paar Löffel Suppe hat mir nach etwa vier Tagen die Enkeltochter einer alten Griechin gegeben, die mit mir auf dem Zimmer lag. Mein Mann lag ein Zimmer weiter. Anfangs haben wir kleine Briefe geschrieben, später dann auch mit dem Smartphone kommuniziert. Jeder musste also erst einmal für sich selbst mit allem fertig werden. Unsere Kinder haben uns dabei begleitet, das war wichtig. Erst als wir dann in Esslingen im Krankenhaus waren und uns ein Zimmer geteilt haben, konnten wir über den Unfall und unsere körperlichen und seelischen Verletzungen sprechen.

Wie fühlt man sich nach so einem Unfall? Ich war vor allem dankbar, so erstaunlich das auch klingen mag. Dankbar, dass zuhause viele Menschen für uns gebetet haben. Und dankbar, dass unsere Kinder da waren und uns geholfen haben. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich schon mehrmals wirklich schwierige Situationen erlebt habe. Das Leben ist einfach ein Risiko. Dieses Wissen hat mich auch davor bewahrt, wirklich wütend auf den Unfallverursacher zu sein. Der Mann hatte vorher noch nie einen Unfall gebaut. Es hatte geregnet an dem Tag, die Straße war nass, und er war wohl auch zu schnell unterwegs. Aber es tat ihm so unendlich leid, uns geschadet zu haben. Ihm selbst ist nicht so viel passiert.

Der Unfallverursacher hat uns mehrmals im Krankenhaus besucht, auch zusammen mit seinem Bruder und seinem Vater. Sie haben uns Säfte gebracht und Obst. Einmal standen sie mit einer Riesenpizza da. Er war so bemüht, wenigstens ein wenig wiedergutzumachen. Ihn kennenzulernen und zu merken, wie sehr es ihm leidtut, hat mir sehr geholfen. Die Schuld können wir ihm am Ende nicht nehmen und die Konsequenzen des Unfalls tragen wir alle. Aber wir machen ihm keine Vorwürfe. Denn wir alle machen uns immer wieder schuldig.

Es gibt keine Pflicht zu vergeben. Auch nicht für mich als Pfarrerin. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, um mit den schlimmen Dingen im Leben umzugehen. Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte, wenn er uns nicht besucht hätte oder wenn ich das Gefühl gehabt hätte, er wäre ein leichtsinniger Mensch. Manchmal kommt auch der Gedanke auf, dass mir etwas genommen wurde. Mein Mann und ich werden gesundheitlich noch lange an dem Unfall zu tragen haben. Da könnte man manchmal schon verzagen. Vor diesem Hintergrund ist Vergebung für mich keine einmalige Geschichte. Man muss das immer aufs Neue tun.

Cornelia Reusch ist Pfarrerin am Geriatrischen Zentrum Esslingen Kennenburg. Im Herbst 2015 verunglückte sie zusammen mit ihrem Mann bei einem Verkehrsunfall auf Kreta. Beide sind bis heute krankgeschrieben.


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